„Gaza befindet sich im Todestrakt. 2,6 Millionen Terroristen in Gaza sind zum Tode verurteilt. Sie verdienen den Tod. Menschen, Frauen, Kinder auf jede erdenkliche Art und Weise, lasst es einen Holocaust in Gaza geben – ja, lesen Sie das ruhig noch einmal – H-O-L-O-C-A-U-S-T. Wenn man mich fragt, so braucht es Gaskammern, Zugwaggons und andere grausame Arten des Todes für diese Nazis. (…) Überfahren. Ausrotten. Abschlachten. Dem Erdboden gleichmachen. Demontieren. Zerschmettern. Ohne Gewissen und Gnade sind Kinder und Eltern, Frauen und Mädchen zu einem grausamen und schweren Tod verurteilt. Gaza verdient den Tod. Lasst es einen Holocaust in Gaza geben.“
Dies schrieb Elad Barashi, ein bekannter israelischer Fernsehproduzent (Channel 14), auf X (Twitter) am 27. Februar 2025. Konfrontiert mit seinen Aussagen bekräftigte er diese am 5. Mai erneut – „(…) Ich entschuldige mich sicher nicht, ich wünsche den Terroristen in Gaza einen Holocaust“. Channel 14 gilt als bevorzugtes Medium von Premierminister Netanjahu.
Noch ein Zitat von Barashi:
„Wer ist der Narr, der behauptet, es gebe ‚Unschuldige‘ in Gaza? Wer ist der verabscheuungswürdige Schuft, der sie in arabische Länder oder nach Europa entkommen lassen will?“
Diese Botschaften sind klar und zutiefst beunruhigend. Zwei Millionen Palästinenser sind einem Land ausgeliefert, dessen Meinungsführer offen deren Vernichtung fordern – nicht Ausreise, Umsiedlung, nein Vernichtung. Für die Regierenden in Deutschland und Österreich (und auch von den größten Teil der parlamentarischen Opposition) ist das nach wie vor kein Grund, das Verhältnis zu Israel zu überdenken.
Quellen:
Aussendung 32/2025 (9. Mai 2025) von Martha Tonsern, Vertretung des Staates Palästina in Österreich.
https://www.newarab.com/news/israel-tv-producer-calls-gaza-holocaust-gas-chambers
https://taz.de/Rechte-Medien-in-Israel/!6083367/
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Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfängt am kommenden Montag den israelischen Amtskollegen Isaac Herzog. Danach will er nach Israel reisen und Premierminister Netanjahu treffen, gegen den ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vorliegt. Wer das – so wie ich – unangebracht findet, kann dies im Rahmen einer Aktion von Amnesty International mit einer Nachricht an den Bundespräsidenten zum Ausdruck bringen:
https://www.amnesty.de/aktuell/deutschland-israel-steinmeier-herzog-staatsbesuch-amnesty-aktion
Hunger
„Dienstagmittag, am Bahnhof von Binyamina. Zwei israelische Soldaten auf der Bank, in Zivil, einer mit Krücken. Sie unterhalten sich über den Krieg in Gaza. Hier ist das Gespräch, wortwörtlich:
„Bro, das war wie ein Computerspiel. Wir haben Köder für sie hergestellt. Wir öffneten einige Konservendosen und stellten sie auf die Straße. Sie kamen sofort zu den Dosen, wir schossen auf sie, die Menschen flogen durch die Luft. Wow, jetzt wo wir so darüber reden … klingt es plötzlich kriminell.“
Quelle: Original in Englisch, Facebook-Beitrag von Ella Cohen, israelische Künstlerin: https://www.facebook.com/groups/181837252570533/posts/israeli-activist-ella-cohen-writes-this-is-what-is-happening-in-gazayesterday-af/1892574398163468/ Deutsche Übersetzung in: Aussendung 32/2025 (9. Mai 2025) von Martha Tonsern, Vertretung des Staates Palästina in Österreich.
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Seit mehr als 70 Tagen dauert jetzt die vollständige Blockade des Gazastreifens an. Hala Al-Khatib, eine junge Schriftstellerin aus Gaza, beschreibt die Entwicklung:
Als die Bäckereien noch offen hatten, bildeten sich lange Schlangen davor. „Die Menschenmengen vor diesen Bäckereien waren überwältigend. Sie blockierten Straßen, so dass es in der Umgebung kein Weiterkommen gab. Jeden Tag gab es Fälle von Ohnmacht und Atembeklemmung in dem Gedränge. Brot bekamen am Ende nur wenige von denjenigen, die seit dem Morgen warteten. Mein Vater ging noch vor Sonnenaufgang zur Bäckerei, um sich anzustellen […]. Aber er fand bereits eine lange Schlange vor. Dutzende hatten vor der Bäckerei geschlafen. Er blieb bis zu Mittag, dann übernahm mein Bruder seinen Platz in der Schlange. Am Ende kamen sie mit nichts nach Hause.“
Mit der Schließung der Bäckereien Ende März begann der richtige Hunger. Inzwischen haben auch viele der Suppenküchen geschlossen. Die, die noch in Betrieb sind, können nicht alle versorgen, die sich anstellen.
„Meine achtjährige Nichte Dana stellt sich jeden Tag mit ihren Freundinnen in die Schlange vor einer Suppenküche und wartet bis sie dran kommt, als wäre es ein Spiel. Wenn sie einen Schöpfer Essen ergattert, kommt sie zurückgerannt und ist sehr stolz auf sich. Und wenn sie nicht drankommt, bevor das Essen aus ist, kommt sie in Tränen aufgelöst zurück und beklagt sich über die Ungerechtigkeit der Welt.
Eines Tages, während des Ramadan, versuchte ein Junge […] so verzweifelt etwas zu essen zu ergattern, dass er in den Topf mit der heißen Suppe fiel, die gerade am Kochen war. Er erlitt schwere Verbrennungen, an denen er später starb.“
Der Hunger wirkt sich auf die Gesundheit der Menschen aus. Sie werden schwach, haben wenig Energie, werden leichter krank und brauchen länger, sich zu erholen.
Das Schwierigste sei, kleinen Kindern zu erklären, warum sie die guten Sachen, die sie auf Handybildern sehen, nicht zu essen bekommen. Manchmal glauben sie, ihre Eltern würden ihnen das Essen absichtlich vorenthalten, um sie zu bestrafen.
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„Seit dem 2. März haben UN-Organisationen einen Anstieg der akuten Unterernährung bei Kindern festgestellt. Sie stellen ein schwaches Immunsystem, häufige Krankheiten, Gewichts- und Muskelverlust, hervorstehende Knochen oder Bäuche und brüchiges Haar fest. Seit Anfang des Jahres wurden laut UNICEF mehr als 9 000 Kinder wegen akuter Unterernährung aufgenommen oder behandelt.
Der Anstieg war im März dramatisch: 3.600 Fälle oder 80 Prozent mehr als die 2 000 Kinder, die im Februar behandelt wurden. Seitdem haben sich die Bedingungen nur noch weiter verschlechtert. Die Vorräte zur Vorbeugung von Unterernährung, wie Nahrungsergänzungsmittel und Kekse, sind laut UNICEF aufgebraucht. Therapeutische Nahrungsmittel zur Behandlung akuter Unterernährung gehen zur Neige.
[…] Nahezu die Hälfte der 200 Ernährungszentren im Gazastreifen ist aufgrund von Vertreibung und Bombardierung geschlossen.
In der Zwischenzeit warten die Hilfsgüter an den Grenzen und werden von Israel an der Einreise nach Gaza gehindert.“
Quelle: Aussendung 32/2025 (9. Mai 2025) von Martha Tonsern, Vertretung des Staates Palästina in Österreich. Englischer Originaltext (mit erschütterndem Video- und Bildmaterial): https://apnews.com/article/gaza-israel-palestinians-malnutrition-children-f94af55885aadaee7e95b2492fc432e9
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Ein kurzes Video zeigt ein extrem unterernährtes Mädchen, vielleicht acht Jahre alt. Die Mutter sagt, das Kind habe etwa die Hälfte des ursprünglichen Gewichts verloren. Sie hat nur noch wenige Haare und irgendeine Hautkrankheit. Sie kann vor Schwäche kaum noch gehen.
Ein anderes Video zeigt die Essensausgabe bei einer Suppenküche. Nach stundenlangem Warten füllt ein Helfer jeweils eine Portion in die Töpfe, die ihm hingehalten werden – höchstens zwei oder drei Teller. Für wie viele Menschen ist das wohl die einzige Mahlzeit des Tages?
Vor wenigen Tagen musste die NGO World Central Kitchen (WCK) ihre Suppenküchen in Gaza schließen, weil ihre Lebensmittelvorräte verbraucht waren. WCK hatte täglich mindestens 130.000 Mahlzeiten gekocht und 80.000 Brote gebacken.
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Mindestens 57 Menschen sind in Gaza inzwischen verhungert, mehrheitlich Kinder, Alte und Kranke.
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Die USA haben inzwischen die Gründung einer neuen Organisation angekündigt, die die Verteilung von Hilfslieferung in Gaza durchführen soll: die „Gaza Humanitarian Foundation“ (GHF). Israel soll nicht daran beteiligt sein, UN-Organisationen aber auch nicht. Die US-Regierung bezeichnet das als „Nichtregierungsorganisation“. Angestellt sollen private Sicherheitskräfte sein.
Hilfsorganisationen kritisieren den Plan scharf. Denn ganz offensichtlich ist das Ziel, die humanitären Helfer aus dem Gazastreifen zu drängen. Nachdem Israel schon seit Beginn des Krieges keine ausländischen Journalisten mehr nach Gaza lässt, sind die Mitarbeiter/innen internationaler Hilfsorganisationen die einzigen verbliebenen unabhängigen Beobachter vor Ort. Deren Zeugnis war und ist für Israel unangenehm. Eines der Ziele dieses neuen „Hilfsplans“ könnte sein, sich dieser lästigen Zeugen zu entledigen.
Es ist zu befürchten, dass diese „humanitäre Hilfe“ im Wesentlichen dem entspricht, was israelische Politiker schon vor geraumer Zeit angekündigt haben: Die „Hilfe“ wird als Instrument zur ethnischen Säuberung eingesetzt. Die Menschen in Gaza sollen auf diese Weise gezwungen werden, sich in einige wenige kleine Gebiete begeben, vornehmlich wohl im Süden, wo sie einerseits mit geringem Aufwand von der israelischen Armee in Schach gehalten werden und andererseits zum gegebenen Zeitpunkt schnell über die Grenze nach Ägypten geschafft werden könnten. Nach den bisherigen Erfahrungen ist außerdem zu befürchten, dass viele von ihnen bereits auf dem Weg in diese „Schutzzonen“ von israelischen Soldaten ermordet werden – oder wenn sie dort angekommen sind. Je mehr Menschen auf einem Fleck zusammengetrieben sind, desto effizienter kann die Mordmaschine funktionieren. Das ist keine wilde Phantasie, sondern es entspricht genau dem, was seit Monaten ständig geschieht: Israel bombardiert gezielt Orte, an denen sich besonders viele wehrlose Menschen aufhalten: von der Armee selbst vorgegebene Fluchtrouten, Flüchtlingslager, Krankenhäuser, Märkte, humanitäre Einrichtungen, bei denen Hilfe verteilt wird, oder die wenigen Restaurants, die es noch gibt.
Mittlerweile ist es die offizielle israelische Position, dass ganz Gaza von der israelischen Armee eingenommen und dauerhaft besetzt werden soll. Die Bewohner/innen Gazas sollen in andere Länder geschafft werden. Welche das sein sollen, ist allerdings unklar. Israelische Politiker behaupten, es gebe willige Aufnahmeländer. Aber bis jetzt liegt (nach meinem Wissensstand) noch von keinem Land eine offizielle Bestätigung einer solchen Bereitschaft vor.
Ein Mitarbeiter einer Hilfsorganisation sagt, dass die Menschen in Gaza gebrochen sind. Die meisten würden Gaza jetzt verlassen, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten. Dasselbe sagt Khalil al-Hakimi, 44 Jahre alt, von Beruf Ingenieur, Einwohner Gazas, Vater von fünf Kindern. Im vergangenen Dezember wurde er von einem israelischen Scharfschützen ins Bein getroffen. Das Bein musste amputiert werden.
Die Einwohner Gazas können viel ertragen. Aber sie können nicht ertragen, ihre Kinder verhungern zu sehen. Eltern, die ihre Kinder nicht mehr versorgen können, werden „moralisch verletzt“. Das heißt, sie erleiden „eine tiefe Verletzung des moralischen Empfindens durch das Erleben oder
Beobachten von Handlungen, die gegen eigene ethische Überzeugungen verstoßen. Eltern, die ihre Kinder nicht schützen können, erleben einen Zerfall ihrer elterlichen Identität.“ Sie haben keine Schuld, sie haben nichts falsch gemacht, aber sie fühlen sich schuldig und schämen sich.
Quellen:
https://www.aljazeera.com/news/2025/5/9/us-foundation-eyes-takeover-of-gaza-aid
https://www.aljazeera.com/gallery/2025/5/8/un-experts-warn-of-annihilation-as-gaza-deaths-mount
https://www.theguardian.com/world/2025/may/06/palestinians-fear-israel-imposing-gaza-endgame
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(…) Wer Israel weiterhin materiell oder politisch unterstützt, insbesondere durch Waffentransfers und die Bereitstellung privater Militär- und Sicherheitsdienste, riskiert die Mitschuld an Völkermord und anderen schweren internationalen Verbrechen.
Die Entscheidung ist eindeutig: Entweder untätig bleiben und das Abschlachten von Unschuldigen mitansehen oder an einer gerechten Lösung mitwirken. Das globale Gewissen ist erwacht, und wenn es sich gegen den moralischen Abgrund durchsetzt, in den wir gerade hinabstürzen, dann wird die Gerechtigkeit letztendlich siegen.“
(UN-Statement „End unfolding genocide or watch it end life in Gaza: UN experts say States face defining choice”, 7. Mai 2025)
Quelle: Aussendung 32/2025 (9. Mai 2025) von Martha Tonsern, Vertretung des Staates Palästina in Österreich.
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