Internationale Solidarität

Die Lage für die Menschen – sowohl in Gaza als auch im Westjordanland – wird von Tag zu Tag schlimmer. Täglich sterben Menschen an Hunger, täglich sterben Menschen durch Bomben oder Kugeln, nach wie vor täglich Dutzende an Lebensmittelverteilstellen. Die angekündigte Vertreibung der Bevölkerung aus Gaza-Stadt hat bereits begonnen. Wieder sind Tausende Menschen auf der Flucht.

Die Anzahl der mit Namen registrierten und identifizierten Todesopfer von Israels Genozid in Gaza liegt inzwischen bei mehr als 62.000. Die Zahl der Hungertoten liegt bei 266.

Im Westjordanland gibt es jeden Tag Siedlerangriffe. Jüdische Siedler zerstören palästinensische Olivenhaine und Weingärten, setzen palästinensische Häuser in Brand, vertreiben Familien oder ganze Dorfgemeinschaften. Israels Finanzminister Smotrich kündigte kürzlich die Verwirklichung eines riesigen Siedlungsprojekts mit Tausenden Wohnungen östlich von Jerusalem an. Dieses würde den östlichen Teil der Stadt vom Rest des Westjordanlandes vollkommen abschneiden, das Westjordanland effektiv in einen Süd- und einen Nordteil spalten. Das erklärte Ziel des Projekts ist es, einen palästinensischen Staat unmöglich zu machen. Das Projekt existiert schon sehr lange, seine Verwirklichung wurde bisher aber durch internationalen Druck verhindert.

Israels Regierungschef Netanjahu verkündete in einem Fernsehinterview, er habe eine „historische Mission“ zu erfüllen, und auf Nachfrage des Interviewers erklärte er, er sei ein Anhänger der Idee eines „Groß-Israel“. „Groß-Israel“ bedeutet, dass Israel alle palästinensischen Gebiete annektiert, also Gaza, das Westjordanland und Ostjerusalem. Dazu kommen (jedenfalls nach der Vorstellung mancher Zionisten) noch Teile Jordaniens und Ägyptens. Selbstredend soll Groß-Israel ein Staat ohne Palästinenser sein, ein „ethnisch reiner“ jüdischer Staat.

Diese Pläne sind weder neu noch überraschend – jedenfalls wenn man sich mit der Geschichte Israels und Palästinas befasst hat. Aber jetzt setzt Israel diesen entsetzlichen Plan mit einer nie zuvor dagewesenen Brutalität und Grausamkeit in die Tat um. Netanjahu und seine Gesinnungsgenossen sehen sich gerade in einem „historisches Zeitfenster“ zur Verwirklichung des alten groß-israelischen Traums. Sie wissen: Wenn sie es nützen wollen, haben sie keine Zeit zu verlieren, denn es könnte sich sehr schnell schließen. Es hängt am seidenen Faden der Stimmung eines unberechenbaren US-Präsidenten.

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Am 10. August ermordete die israelische Armee sechs palästinensische Journalisten in ihrem Zelt. Fünf davon hatten für den Sender Al Jazeera gearbeitet.

Die israelische Armee rechtfertigte die Morde einmal mehr mit dem Terrorismus-Vorwurf: Einer der Journalisten, Anas al-Sharif, soll Leiter einer Terrorzelle gewesen sein. Wie üblich wurden dafür keinerlei Beweise vorgelegt. Nichts, rein gar nichts, spricht dafür, dass die israelische Armee in diesem Fall ausnahmsweise die Wahrheit gesagt hat. Anas al-Sharif war quasi rund um die Uhr als Journalist tätig. Alles spricht dafür, dass al-Sharif und seine fünf Kollegen nur aus einem einzigen Grund ermordet wurden: Es ist Israel sehr unangenehm, dass die Welt von den Gräueltaten der israelischen Armee im Gazastreifen in Wort und Bild unterrichtet wird.

Doch das Bemühen Israels, die Zeugen zum Verstummen zu bringen, ist vergebliche Mühe. Es braucht gar keine weiteren Beweise mehr dafür, dass Israel ein Verbrecherstaat ist und seine Vertreter notorische Lügner. Im Krieg, sagt man, ist die Wahrheit immer das erste Opfer. Doch den Krieg gegen die Wahrheit hat Israel längst schon verloren.

Israel verdankt seine Existenz dem Wohlwollen der internationalen Staatengemeinschaft. Dieses Wohlwollen schützte Israel viele Jahrzehnte lang vor Konsequenzen seiner permanenter Verletzungen internationalen Rechts und grundlegender moralischer Prinzipien. Doch im Angesicht von Israels Verbrechen in Gaza und den besetzten Gebieten schmilzt dieser Schutzwall wie das Packeis im Klimawandel. Ein Staat nach dem anderen (darunter treue Verbündete) beginnt, die Bande mit Israel zumindest zu lockern. Die „hohe Politik“ hinkt dabei oftmals der Stimmung in der Bevölkerung hinterher. Doch auf Dauer können Regierungen demokratischer Staaten nicht gegen den Willen der Bevölkerung agieren, nur um einer kleinen Gruppe von Lobbyisten zu gefallen.

Nicht zuletzt aus diesem Grund ist die internationale Solidarität so wichtig. Seit Monaten gibt es weltweit an unzähligen Orten auf der ganzen Welt immer wieder Demonstrationen und andere Aktionen, durch die Menschen ihre Solidarität mit den PalästinenserInnen zeigen. Im Folgenden berichte ich über einige davon – und über einige von deren Auswirkungen in Form konkreter politischer und juristischer Maßnahmen.

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Deutschland

Am 23. Juli starten 200 deutsche Prominente, vor allem aus der Kultur- und Medienszene, eine Petition an Kanzler Merz. Sie verlangen unter anderem einen Stopp der deutschen Waffenlieferungen an Israel und deutsche Unterstützung für die Aussetzung des EU-Israel-Assoziierungsabkommens. Mitte August haben mehr als 111.000 Menschen diese Petition unterzeichnet. Sie kann noch immer unterzeichnet werden:

https://secure.avaaz.org/campaign/de/offener_brief_an_merz_excl_germany/?fpla

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Der Fußballverein Fortuna Düsseldorf entscheidet sich gegen den geplanten Einkauf des israelischen Spielers Shon Weissman. Diese Entscheidung kommt, nachdem Fans auf sozialen Medien eine entsprechende Petition ins Leben gerufen hatten. Weissman hatte etliche extrem rassistische antipalästinensische Posts veröffentlicht, in denen er zur Ermordung von Palästinensern aufruft.

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Laut einer neuen Umfrage befürwortet die Mehrheit der Deutschen eine Anerkennung des Staates Palästina durch Deutschland: 54 Prozent. 31 Prozent sind dagegen. Freilich gibt es Unterschiede zwischen Altersgruppen und politischer Orientierung, aber diese sind nicht so groß wie man vermuten möchte. Selbst bei Anhängern von CDU/CSU und AFD liegt sie zwischen 45 und 48 Prozent.

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Österreich

Salzburg, 26. Juli 2025: Während der Rede des österreichischen Vizekanzlers Andreas Babler (SPÖ) bei der feierlichen Eröffnung der Salzburger Festspiele stürmt eine Gruppe pro-palästinensischer AktivistInnen die Bühne und die Galerie – vor der versammelten Polit- und Kulturprominenz des Landes. Eine der AktivistInnen ist Dalia Sarig, Mitorganisatorin des ersten jüdisch-antizionistischen Kongresses in Wien.

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Schweiz

Mehr als 1.000 WissenschaftlerInnen richten eine Petition an das Forschungszentrum CERN. Sie fordern die Forschungseinrichtung auf, Schritte gegen den Krieg in Gaza zu setzen, einschließlich der Einstellung von Forschung für militärische Zwecke.

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Italien

Udine, 14. August 2025: Ein UEFA-Super-Cup-Spiel steht auf dem Programm (Paris – Saint German gegen Tottenham). Vor dem Anpfiff werden direkt auf dem Spielfeld zwei Banner entrollt: STOPP KILLING CHILDREN. STOP KILLING CIVILIANS. Die UEFA hatte mit dieser Aktion auf heftige Kritik reagiert. Anfang des Monats wurde der palästinensische Ex-Fußballer Suleiman al-Obeid von der israelischen Armee an einem Nahrungsmittel-Verteilpunkt ermordet. Suleiman al-Obeid war eine Legende des palästinensischen Fußballs. Die UEFA hatte in einem Post geschrieben: “Farewell to Suleiman al-Obeid, the ‘Palestinian Pele.’ A talent who gave hope to countless children, even in the darkest of times.” Die Umstände seines Todes erwähnte die UEFA mit keinem Wort. Darüber empörten sich die Fans. Die Aktion in Udine war wohl eine Art Wiedergutmachung dafür.

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Niederlande

Der leitende Staatsanwalt des internationalen Strafgerichtshofs (ICC) in Den Haag, Karim Khan, hat Strafbefehls-Anträge gegen Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich vorbereitet. Die Anklage lautet auf Apartheit. Im nächsten Schritt muss das Gericht entscheiden, ob tatsächlich Strafbefehl gegen die beiden erlassen wird.

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Die Niederlande haben Ben-Gvir und Smotrich zu unerwünschten Personen erklärt.

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Slowenien

Auch nach Slowenien dürfen die israelischen Minister Ben-Gvir und Smotrich nicht mehr einreisen. Aber noch wichtiger: Slowenien erlässt – als erstes EU-Land – ein dreifaches Waffenembargo gegen Israel: Verboten sind Export, Import und Transit. Letzteres ist wichtig, weil Israel gerne den slowenischen Hafen Koper für Waffentransporte nützen würde. Außerdem hat Slowenien am 6. August 2025 ein Importverbot für Waren aus den besetzten Gebieten erlassen.

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Polen

Am 7. August entrollen Fans des Fußballklubs Rakow Częstochowa während eines Spiels gegen den israelischen Klub Maccabi Haifa ein Transparent, auf dem (auf polnisch) zu lesen ist: „Israel mordet und die Welt schweigt“. Beim Rückspiel – welches aus Sicherheitsgründen in der ungarischen Stadt Debrecen ausgetragen werden musste – entrollten die Maccabi-Fans ein Transparent mit der Aufschrift „Murderers since 1939“ – eine Anspielung auf die Ermordung von drei Millionen polnischer Juden während der Besatzung Polens durch die Nationalsozialisten. Die Aktion der israelischen Fans löst in Polen eine Welle der Empörung aus.

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Norwegen

Am 11. August läuteten in Norwegen alle Kirchenglocken (mehr als 600) gleichzeitig, für die leidenden Menschen in Gaza.

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Schweden

Am 14. August gab es in Stockholm einen Trauermarsch für die vergangene Woche in Gaza von Israel ermordeten Journalisten. Die DemonstrantInnen trugen Särge mit Bildern der Toten.

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EU

EU: Mehr als 700 MitarbeiterInnen von EU-Institutionen unterzeichneten einen Brief an die Außenbeauftragte Kaja Kallas und an von der Leyen. Sie fordern Sanktionen gegen Israel.

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England

London: Bei mehreren Kundgebungen werden Hunderte Menschen verhaftet, weil sie Schilder mit der Aufschrift „I oppose genocide. I supportPalestine Action“ gezeigt hatten. Die Gruppe Palestine Action war vor einigen Wochen als Terrororganisation eingestuft worden, weil Aktivisten in einen Luftwaffenstützpunkt eingedrungen waren und Kampfflugzeuge mit roter Farbe beschmiert hatten. Diese Aktion war ein Protest gegen Großbritanniens militärische Unterstützung Israels. Laut Angaben der Polizei beträgt das Durchschnittsalter der verhafteten DemonstrantInnen 54. Mehr als 100 Verhaftete sind über 70 Jahre alt.

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London: Ungefähr 300 britische Juden (darunter einige prominente Leute) unterzeichneten einen Brief an Premierminister Keith Starmer. Sie verlangen die sofortige Anerkennung des Staates Palästina und weitreichende Sanktionen gegen Israel. Sie halten fest, das es nicht antisemitisch ist, den Genozid, die ethnischen Säuberungen und die Apartheit in Palästina zu verurteilen, und dass dies nicht kriminalisiert werden soll. Sie verlangen außerdem, dass die Einstufung der Gruppe Palestine Action als terroristische Vereinigung aufgehoben wird.

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Am 16. August demonstrieren Hunderte Menschen in High Wycombe (Südwestengland) vor einer Basis der britischen Luftwaffe für ein Ende der militärischen Zusammenarbeit von Großbritannien und Israel und der anhaltenden Unterstützung Großbritanniens für Israels Krieg in Gaza. Die Demonstrant/inn/en beschuldigten die britische Regierung der Komplizenschaft bei Israels Völkermord am palästinensischen Volk.

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Roger Waters, Mitbegründer der Band Pink Floyd, veröffentlichte einen neuen Song: Sumud. „Sumud“ ist ein arabisches Wort. Es bedeutet etwa „standhafte Beharrlichkeit“, und es wird oft verwendet, um den Wesenskern des palästinensischen Volkes zu beschreiben.

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Irland

Graffiti in Dublin. Die Zahl ist längst überholt. Nun (Stand 17. August 2025) wurden in Gaza 271 Journalisten ermordet. Bildquelle: https://www.aljazeera.com/news/liveblog/2025/8/1/live-israel-kills-starving-palestinians-as-us-envoy-set-to-visit-aid-sites (08.30)

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Australien

Sydney, 3. August 2025: Zum „March for Humanity“ gehen Zehntausende aus Solidarität mit dem palästinensischen Volk auf die Straße, trotz sehr ungemütlichem Wetters. Die Polizei spricht von 90.000 TeilnehmerInnen, die Veranstalter von 300.000. Der Marsch führt über eine große Brücke, die fünf Stunden lang gesperrt ist. Unter den Demonstranten ist auch Julian Assange. Australien gehört zu den Ländern, die erwägen, den Staat Palästina anzuerkennen.

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Kolumbien hat beschlossen, keine Kohle mehr nach Israel zu liefern.

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Jemen

Die jemenitischen Huthis sind vielleicht die treuesten Verbündeten des palästinensisches Volkes. In Jemens Hauptstadt Sanaa gehen regelmäßig viele Tausende auf die Straße, um ihre Solidarität zu zeigen. Am 13. August demonstrierten Anhänger der Huthis aus Anlass der jüngsten Journalistenmorde in Gaza.

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Quellen

https://www.aljazeera.com/video/newsfeed/2025/8/14/smotrich-announces-israeli-plan-to-split-occupied-west-bank-in-half#flips-6376926511112:0

https://www.aljazeera.com/news/liveblog/2025/8/5/live-israel-kills-74-in-past-day-as-trickle-of-aid-trucks-enters-gaza (16.00)

https://www.n-tv.de/politik/Mehrheit-der-Deutschen-fuer-Anerkennung-eines-Staates-Palaestina-article25955994.html?utm_source=firefox-newtab-

https://www.palaestinasolidaritaet.at/2025-07-26-pressemitteilung-protest-zur-eroeffnung-der-salzburger-festspiele-kunst-darf-nicht-nur-dort-kritisch-sein-wo-es-bequem-ist/

https://www.facebook.com/reel/1795585184503873

https://salzburg.orf.at/stories/3315117/

https://www.aljazeera.com/news/liveblog/2025/8/6/live-israel-kills-83-in-gaza-as-eu-un-condemn-alarming-invasion-plan (15.20)

https://www.myarklamiss.com/sports/ap-sports/ap-salah-questions-uefas-farewell-to-former-palestine-soccer-player-suleiman-obeid/

https://www.timesofisrael.com/flouting-its-own-rules-uefa-displays-stop-killing-children-banner-at-key-match/

https://www.aljazeera.com/news/liveblog/2025/8/15/live-israels-west-bank-settlement-plan-slammed-as-gaza-assault-continues (15.45)

https://kurier.at/sport/fussball/uefa-conference-league-rakow-czestochowa-maccabi-haifa-fans/403073377

https://edition.cnn.com/2025/08/15/sport/soccer-conference-league-maccabi-haifa-banner-poland-intl

https://www.zeit.de/sport/2025-08/israelische-fussball-fans-uefa-ermittelt-banner-anhaenger-maccabi-haifa

https://www.aljazeera.com/news/liveblog/2025/8/15/live-israels-west-bank-settlement-plan-slammed-as-gaza-assault-continues (10.45)

https://www.kirken.no/nb-NO/om-kirken/aktuelt/over-400-kirkeklokker-ringte-for-gaza/

https://www.aljazeera.com/news/liveblog/2025/8/1/live-israel-kills-starving-palestinians-as-us-envoy-set-to-visit-aid-sites (14.00)

https://www.bbc.com/news/articles/c3wn5gdv0wgo

https://www.aljazeera.com/news/liveblog/2025/8/9/live-israels-gaza-city-occupation-plan-condemned-as-4-more-die-of-hunger (17.15)

https://www.bbc.com/news/articles/cvg3j0ejpqlo

https://www.aljazeera.com/news/2025/8/5/jewish-britons-decry-ban-on-palestine-action-as-illegitimate-unethical

https://schwarzwald-netzwerk.de/roger-waters-sumud/

https://youtu.be/K6dcS6SOYZc?si=1_1ummzWar0GSuZn

https://www.aljazeera.com/news/liveblog/2025/8/4/live-israel-kills-56-aid-seekers-as-22000-aid-trucks-stuck-outside-gaza (07.30)

https://www.johnjansonmoore.com/journal/2025/8/5/march-for-humanity

https://www.aljazeera.com/news/2025/8/3/tens-of-thousands-protest-israels-war-on-gaza-in-australias-sydney

https://www.aljazeera.com/news/liveblog/2025/7/31/live-israel-kills-over-90-in-gaza-in-one-day-as-starvation-deaths-mount (17.45)

https://www.aljazeera.com/news/liveblog/2025/8/5/live-israel-kills-74-in-past-day-as-trickle-of-aid-trucks-enters-gaza (13.30)

https://www.newsflare.com/video/775968/yemen-yemenis-protest-israeli-killing-of-palestinian-journalist

https://www.aljazeera.com/news/liveblog/2025/7/29/live-israel-kills-92-in-gaza-in-one-day-as-death-toll-nears-60000 (12.45)

https://www.aljazeera.com/news/liveblog/2025/7/17/live-israel-bombs-syria-as-latest-strikes-on-gaza-kill-at-least-93 (17.00)


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